Sonntag, 28. Juli 2013

[Buchrezension] Rainald Grebe - Global Fish

Thomas Blume hat soeben sein Abitur mit 1,0 bestanden. Nun sucht er nach Urlaub für den August, so wie es bei den Abiturienten der Brauch ist, und wühlt sich durch Reisekataloge. Im Briefkasten liegt ein Brief in einem Umschlag aus Büttenpapier, der mit rotem Wachs versiegelt ist. Im Inneren befindet sich außer dem Brief, der auch aus Büttenpapier ist, ein kleines detailgetreues Schiffsmodell, eines Extremklippers aus dem 19. Jahrhundert. Es war eine Einladung für eine Schiffsreise, die kostenlos ist, wenn er sich den seemännischen Pflichten unterziehe. Und Morgen ging es los. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt und so packte Thomas seine sieben Sachen und fuhr zum Hamburger Hafen. Dort angekommen erhielt er von Doktor Cloque ein paar Informationen und musste sich für die Seereise in die Neue Welt einen neuen Namen geben, Bloom, verschloss seine Identität in einem Spind, und betrat den 3-Master mit nichts außer Leinenhose, Hemd, Lederstiefel und einem Sack, den der Doktor als Ölzeug bezeichnete. Bloom war jetzt Passagier auf der Arrabal.
Tagelang ruhige See und die anderen Seemänner beachteten ihn nicht, bis eines Tages Sturm aufkam und Bloom doch mal mit den Anderen Rum soff. Da geschah das Unglück, das Pferd, welches in die Takelage hochgezogen wurde, fiel herunter und zertrümmerte das Bein von Bloom, das kurzerhand amputiert wurde, mit einer zeitgenössischen Säge. Wochenlang liegt er auf seiner Pritsche, Entzündungen quälen ihn, bis die Arrabal in Jamaika an Land geht.
Ein Treffen von vielen Seeleuten, aus den unterschiedlichsten Epochen findet dort statt. Neben Wikingern und Römer, sind auch welche auf einem Einbaum angereist. Und am Abend beginnt das Ritual, dem Bloom nicht beiwohnen will. Nackt am Strand erwachend zwischen hunderten menschenähnlicher Fleischhaufen flieht er und trifft in der zivilisierten Welt auf Petra, eine Klassenkameradin, die mit dem Traumschiff hier anlegt. Nach viel Alkohol und Schmerzen im Beinstumpf...
...erwacht er wieder auf der Arrabal als Moses, der Backsjunge, direkt dem Smutje unterstellt. Auf dem Weg nach Neuseeland gerriet die Arrabal mit Blohm an Bord in vielschichtige Probleme. Blohm sucht Antworten bei Clox, aber der verweigert sie ihm, hat zu tun. Und so macht er seinen Dienst als Backsjunge in der Hoffnung auf bessere Tage, denn die frischen Nahrungsmittel gingen zur Neige und die anderen wurden von Maden zerfressen.
Wird die Arrabal je wieder Land erreichen und wenn ja, was passiert auf der nächsten Reise?

Ich habe mir dieses Buch vor einigen Jahren zum Geburtstag gewünscht (und ein halbes Jahr später erhalten), weil ich Rainald Grebe als Künstler schätzte und auch schon auf einem seiner Konzerte war. Jeder der ihn kennt, weiß, dass er sehr tiefgründige Texte hat, die zum Teil sehr verwirrend sind, so auch dieses Buch. Ist es real oder alles nur ein Traum? Auf jeden Fall ist es ein unfassbares Abenteuer, welches Blume wiederfährt, sehr verstörend, aber auch mitreißend. Dinge passieren, die keinem normalen Urlauber überhaupt in den Sinn kämen. Passieren die Dinge wirklich? Wird Blume verrückt, oder gerät die Welt aus ihrem Ruder? Spannung die bis zur letzten Seite anhält. Man gerät selbst auf diese Seereise und wünscht sich doch irgendwie wieder zurück an den Schreibtisch, weil das kann einfach nicht passieren, das darf nicht passieren, wer erlaubt sowas?

Ein sehr gut geschriebenes Buch, was ich euch nicht empfehlen kann, aber auch nicht abraten kann. Entscheidet selbst, ob ihr dem Buch gewachsen seid, denn das Buch wirkt verstörend auf so manchen schwachen Verstand. Hört euch lieber zuerst einige Liedtitel von Grebe an. Eine Leseprobe vom Buch findet ihr >>hier<<, allerdings nur der Anfang. Hier habt ihr ein Stück weiter drin, aber immer noch am Anfang mit viel gekürzten Stellen:
"Der nächste Morgen. Der Abschied von zu Haus. Wo waren meine Eltern? Waren sie noch da?
Als ich mit meiner mühsamen Reiseplanung beonnen hatte, vor einem halben Jahr etwa, hatten sie plötzlich ihr Verhalten geändert. Waren mir aus dem Weg gegangen, von Mal zu Mal unscheinbarer geworden. Oft sah ich sie im Vorbeigehen vor dem offenen Kühlschrank stehn. Zu zweit zwängten sie sich vor den kleinen Kasten, und das gelbe Kühlschranklicht fiel auf ihre besorgten Gesichter. Doch sie rührten nichts an. Sie prüften nur, was ich gegessen hatte und nickten. Wenn ich nach Hause kam, musste ich lange nach ihnen suchen. Ich dachte, sie machen einen Gang um die vier Ecken oder essen auswärts. Dabei waren sie da, die ganze Zeit. Sie hielten sich in den selben Räumen auf wie ich, nur waren sie so flach geworden, dass sie von der Seite schwer zu erkennen waren. Oft bin ich aus Versehen über sie gestolpert. [...] Du legst uns zwischen die Pappen und dann unter den Schrank, du bist kräftig genug. Wir wollen immer bei dir sein, sagten sie."


Meine Eltern wollten noch nicht, dass ich sie in ein Fotoalbum packe. ☺

Euer Wetterschaf

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